Ornithologische Beobachtungen im September 2018
Die Gebirgsstelze kommt trotz ihres deutschen Namens regelmässig in den Niederungen vor, allerdings in etwas geringerer Dichte. Mit Vorliebe besiedelt sie rasch fliessende Bäche mit kiesigen Ufern. Sie ist ein Indikator für saubere, ungestörte und naturnahe Fliessgewässer. Auffällig ist ihr ständiges Wippen mit dem Schwanz und dem Hinterkörper. Das Wasserrauschen übertönt Rufe und Gesänge, so dass für die Verständigung zwischen Partnern und Reviernachbarn gut sichtbare Bewegungen nötig sind. (Vogelwarte Sempach)
9.9. Hie und da ertönt von einem Hausdach herab das kurze Lied des Hausrotschwanzes. In der Nähe wird er wohl gebrütet haben. Früher, vor Jahrhunderten, hat er in der Felsregion Junge grossgezogen. Einige tun dies heute noch. Viele haben sich in Menschennähe angesiedelt. Im November werden die meisten fort sein. Einzelne versuchen hier zu überwintern.
12.9. Es dürfte die späteste Familie Schwarzkehlchen sein, die ihre Jungen noch führt und behütet. Als Bodenbrüter haben sie in Siedlungen keinen Platz. Viele sind schon in Richtung Süden geflogen.
23.9. Auf der Südseite des Bahndammes der ÖBB-Linie steht eine Brache, wie es die Körner fressenden Vögel lieben und brauchen. Ein vielfältiges Samenangebot lockt Distelfinken und Girlitze in kleinen Schwärmen an. Distelfinken kennt man besser, weil sie in den Gärten an den Sonnenblumen picken.
Girlitze sind bedeutend kleiner. Oft entdeckt man sie erst, wenn sie als kleiner Trupp vom Boden oder Krautstauden auffliegen. Die Männchen haben einen goldgelben Bürzel, welchen dann besonders sichtbar aufblitzt. Stirn und Vorderseite sind auch gelb, der Rest bräunlich gestreift. Die braun-grau gestreiften Weibchen sind kaum sichtbar. Girlitze brüten hier, jedoch nicht jedes Jahr gleich häufig. Jetzt sind sie auf dem Weg nach West- oder Südeuropa.
Das Rheintal ist ein Durchgangs- und Rastplatzgebiet.
25.9. Hohe Bäume, Beerensträucher und Wiesen (Rheindamm) sind ein wichtiges Element für die Biodiversität. Ein Schwarm Felsenschwalben jagt hoch oben um den Mühleturm. Der erste Schnee hat sie wahrscheinlich aus der Bergregion vertrieben.
Im Werdenbergersee sind seit einigen Tagen Reiherenten am Tauchen. Sie sind schwarz, die Männchen haben weisse Flanken. Die Weibchen sind leicht bräunlich, ihre Flanken sind hell bräunlich. Beide haben einen grauen Schnabel. Im Gegensatz zum häufigen, ebenfalls schwarzen Blässhuhn, haben Reiherenten keine Weisse Stirn. Der Name kommt daher, weil das Männchen im Hochzeitkleid einen Federschopf trägt.
Reiherenten betteln nicht um Brot. Sie tauchen häufig mitten auf dem See und fallen auf, weil sie lange unter Wasser bleiben und weit weg auftauchen. Sie ernähren sich von Wassertierchen, in grossen Seen auch von Muscheln. Auf dem Bodensee überwintern jedes Jahr viele Tausend. Vor sechzig Jahren haben sie erstmals in der Schweiz gebrütet (Brutvogelatlas Vogelwarte 1993-1996, P.Brändle). Seither brüten sie in verschiedenen Gebieten, aber nicht häufig, auch in unserer näheren Gegend.
Herbst Spaziergang am renaturierten Werdenberger Binnenkanal
26.9. Scharfe, spitze „eins-bis vier-silbige ziss-zississ“ Rufe sind zu hören. In kleinen Trupps fliegen die gelben Bergstelzen wellenförmig tief über dem Wasser und am Ufer des Werdenberger Binnenkanals entlang. Sie scheinen zu tanzen. Zwei Wasseramseln teilen sich den gleichen Lebensraum. Der Eisvogel lässt auch nicht lange auf sich warten. Ein kurzes scharfes „ tiiht“ und schon schiesst der blaue Diamant knapp über der Wasseroberfläche vorbei.
Staren Formationen am Himmel über Mauren bei der Binza.
30.9. Wie von einem Dirigenten geleitet fliegt eine grosse Staren- Wolke über dem Riet bei Mauren. Erstaunlich, wie die kleinen Vögel diese halsbrecherischen Manöver ohne Zusammenstösse zu Stande bringen.
Der Ornithologe Peter Berthold von der Vogelwarte Radolfzell ist der Staren-Experte. Vor 30 Jahren schrieb er seine Doktorarbeit über Stare. Auch er ist der Meinung, dass die Stare sich vor allem im Schwarm versammeln, um nicht einem Falken oder Habicht zum Opfer zu fallen. Peter Berthold hat beobachtet, was geschieht, wenn sich so ein Feind doch in die Starenwolke verirrt: Dann wird der Schwarm so verdichtet, dass der Greifvogel gar nicht mehr mit den Flügeln schlagen kann und unten wieder aus der Wolke heraus fällt.